Sharing im Trend

Die Sharing Economy liegt weiterhin im Trend: Immer mehr Menschen mieten und vermieten Produkte und Dienstleistungen über Online-Plattformen. Ein besonders beachteter Sektor ist dabei die geteilte Mobilität (Shared Mobility), also das Teilen von Verkehrsmitteln.

Ziel: Unsere Erfahrungen teilen

In diesem Blogbeitrag wollen wir aber keine Dinge, sondern unsere Erfahrungen teilen. Im Sinne eines offenen Austausches geben wir unsere Learnings weiter, damit andere Personen und neu gegründete Startups davon profitieren können.

Das Projekt: Freizeitboote teilen

Bei unserem Sharing Projekt (myweidling.ch) ging es darum, ein traditionelles Freizeitboot zu teilen: Der sogenannte «Weidling» ist ein 10 Meter langes Holzboot, das vor allem auf dem Hochrhein verbreitet ist. Die Motivation für eine gemeinschaftliche Nutzung ist hier besonders hoch, da die Wartezeit auf einen passenden Bootsplatz rund 40 Jahre beträgt. 

Die Initiative für das Projekt ging vom Verein «Aktion Rhy» aus (Auftraggeber). Das Projekt ist nicht profitorientiert, muss sich aber selbst tragen. Hauptziel ist die bessere und breitere Nutzung der zur Verfügung stehenden Weidlinge. Im erweiterten Sinne geht es auch um die Attraktivierung des regionalen Freizeitangebotes, also um Standortmarketing.

Agiles Vorgehen zur Überprüfung der Benutzerakzeptanz

Zu Beginn eines neuartigen Projektes gibt es viele unbekannte Parameter. Man weiss nicht, wie lange es dauert, bis die Benutzer das neue Angebot akzeptieren werden, und welche Faktoren (bzw. Funktionen) dafür ausschlaggebend sind. 

Wir haben uns dafür entschieden, ein klassisches «Minimum-Viable-Produkt» (MVP) zu entwickeln. Also eine möglichst schlanke erste Realisierung einer Plattform, welche aber bereits produktiv eingesetzt werden kann. Dieses MVP dient dazu, die Marktakzeptanz der Idee zu überprüfen (gibt es überhaupt Leute, die bereit sind, einen «Weidling» online zu mieten und zu vermieten?). Anschliessend kann das MVP fortlaufend anhand der identifizierten Bedürfnisse weiter ausgebaut werden.

In unserem Fall wurde die technische Reife in einem geschlossenen Feldtest (Beta-Test) in der ersten Sommersaison validiert. Daraufhin startet eine dreijährige öffentliche Pilotphase. Während der Pilotphase werden fortlaufend Feedback gesammelt und Verbesserungen umgesetzt.

Identifikation unterschiedlicher Bedürfnisse und Benutzergruppen unserer «Multi-sided-platform»

Bei Projektstart unterschieden wir lediglich zwei Benutzergruppen: Die interessierten Mieter und die Bootseigentümer (Vermieter). Wir starteten also mit einer klassischen Vermittlungslösung, einer «Dual-sided-platform». 

Im Projektverlauf wurde aber klar, dass es noch weitere, unterschiedliche Bedürfnisse gibt. So möchten manche Personen nicht nur ein Boot, sondern auch einen Bootsführer (Kapitän) buchen können. Ein anderes Beispiel sind Freizeitvereine, die eine digitale Reservationslösung für ihren vereinseigenen Weidling suchen, diesen aber ausschliesslich ihren eigenen Mitgliedern zur Verfügung stellen wollen (Mitglieder Benefit). Zwangsläufig stellt sich für den Plattformbetreiber immer wieder die Frage, ob er sein Angebot zugunsten zusätzlicher Bedürfnisgruppen, mit denen er zu Beginn nicht gerechnet hat, ausbauen möchte. Wir empfehlen diesbezüglich, Mehrfachnennungen von noch nicht abgedeckten Bedürfnissen systematisch zu sammeln (z.B. in einem «Product Backlog») und regelmässig zu re-evaluieren. Natürlich sollten Zusatzangebote nur umgesetzt werden, wenn sie auch wirtschaftlich sind und organisatorisch gestemmt werden können. Dennoch ist es wichtig, auf die Kunden eingehen zu können, und sie allenfalls an eine alternative Lösung für ihr Bedürfnis verweisen zu können.

 

Infobox

Natürlich sind auch andere Businessmodelle als eine «Multi-sided-platform» möglich. Ein typisches Beispiel sind E-Scooter Anbieter, welche die Fahrzeuge selbst bereitstellen, warten und einsammeln. In diesem Fall fallen externe Eigentümer (Vermieter) weg. Dennoch macht es immer Sinn, die Bedürfnisse der unterschiedlichen Benutzergruppen sorgfältig zu identifizieren, denn auch hier wird das System von Personen mit unterschiedlichen Zielen benutzt: Neben den Kunden gibt es z.B. auch die internen Mitarbeiter, die administrative Aufgaben erfüllen.

 

 

Das passende Vertriebs- und Preismodell finden

In unserem Fall gab es kein vergleichbares Angebot auf dem Markt und somit auch keine Richtwerte, an denen man sich zur Festlegung der Preise orientieren konnte. Ebenfalls schwer abschätzbar war, wie intensiv dieses neuartige Angebot genutzt werden würde.

Schliesslich starteten wir betriebswirtschaftlich vorsichtig, mit einem relativ hohen Mietpreis pro Tag. Wichtig war, dass die Vermieter gerecht entschädigt werden. Hier kommt ein klassisches Problem jeder «Dual-sided-platform» zum Tragen: Ohne «Angebot» (Vermieter) kann es auch keine Buchungen oder Mieter geben.

Tatsächlich kam es in der ersten Saison bereits zu den ersten Buchungen – allerdings blieb die Nutzung noch hinter den Erwartungen zurück. Daher wurden für das zweite Betriebsjahr verschiedene Massnahmen getroffen. Es wurde eine Onlineumfrage durchgeführt, welche Preise als fair und welche Preismodelle von Mietern und Vermietern als wünschenswert wahrgenommen werden. In der Folge wurde der Tagespreis reduziert. Ausserdem wurde ein sogenanntes «Halbtax-Abonnent» lanciert: Wer für 200.- pro Jahr ein Abonnent kauft, zahlt fortan nur noch den halben Tagespreis für die folgenden Buchungen.

Einen wichtigen Synergieeffekt für die Weidlingsnutzung hat ausserdem der «Stachelkurs»: Hier kann der Umgang mit motorlosen Weidlingen erlernt werden. Als Promo-Aktion erhielten alle Teilnehmer/innen des Stachelkurses einen Gutschein, um die Weidling Sharing Plattform kostenlos ausprobieren zu können.

Aufgrund des angepassten Preismodells und der gesteigerten Bekanntheit stiegen auch die Buchungen bereits im zweiten Jahr stark an. Dies schenkt uns Sicherheit und Zuversicht für die Zukunft.

Vertrauen und Versicherungen

Wenn Objekte gemeinschaftlich genutzt werden, ist auch ein gegenseitiges Vertrauen erforderlich. Als zusätzliche Absicherung können Versicherungen abgeschlossen werden. Gerade bei der Vermietung von Fahrzeugen ist ein Schutz vor Haftungsansprüchen durch Dritte in Unfallsituationen wünschenswert oder sogar vorgeschrieben. Zusätzlich können Schäden am vermieteten Fahrzeug mit einer Vollkaskoversicherung abgedeckt werden. Zu beachten ist, dass eine Vermietung von Privatfahrzeugen als kommerzielle Nutzung gilt und dies üblicherweise im Versicherungsvertrag explizit miteinbezogen werden muss.

Ziel einer guten Versicherungslösung ist, allen Parteien die gewünschte Absicherung bieten zu können.

In unserem Fall wurde schliesslich eine Speziallösung mit einer bestimmten Versicherungsgesellschaft ausgehandelt, was mehr Zeit in Anspruch genommen hat, als ursprünglich gedacht. Wir empfehlen daher, sich frühzeitig mit der Versicherungsfrage auseinanderzusetzen.

Automatisierungsgrad und Schlüsselübergabe

Grundsätzlich können Buchungen über Sharing Plattformen unterschiedlich stark automatisiert sein. In der einfachsten Ausführung handelt es sich um eine Reservationsanfrage, welche vom Vermieter bestätigt werden muss. Es gilt aber zu beachten: Je tiefer der Automatisierungsgrad, desto tiefer ist auch der Nutzen und Mehrwert für den Mieter. 

Bei unserer Weidling Sharing Plattform standen erst unterschiedliche Varianten zur Diskussion. Schliesslich hat man sich aber für eine vollständig automatisierte Umsetzung entschieden. Die Bezahlung erfolgt Online und die Schlüsselübergabe mittels Schlüsselkasten und Online-Zugangscode. Die Vorteile sind klar: Für alle beteiligten Parteien reduziert sich der Aufwand für die Abwicklung der Buchungen. Der Vermieter muss keine Rechnungseingänge prüfen und nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt vor Ort sein, um den Schlüssel zu übergeben. Der Mieter kann spontan buchen und das Boot noch am selben Tag nutzen.

Technisch existieren bereits viele Basisbausteine wie Online Zahlungsschnittstellen oder Schlüsselkästen, welche hervorragend in eine Sharing Plattform integriert werden können. Hier beraten wir sie natürlich gerne weiter.

Fazit

Wir ziehen ein positives Fazit aus der Umsetzung der Weidling Sharing Plattform. Eine praktische geteilte Nutzung ist möglich und erhöht die Ausnützungsziffer. Ganz besonders freut uns das Feedback von Weidling-Fans, für welche das jahrzehntelange Warten auf einen Bootsplatz nun ein vorzeitiges Ende hat und dem Geniessen auf dem Rhein jetzt nichts mehr im Wege steht.

Vielen Dank an die Aktion Rhy, dass wir Teil dieses tollen Projektes seien durften.

 

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